Skip to main content

Venedig

Anreise

Wir checken in unser Hotel im Stadtteil Mestre ein und machen uns gleich auf den Weg mit dem bestens ausgebauten Nahverkehr. Am Piazzale Roma, dem Bus-Terminal werden wir ausgespuckt und reihen uns in Tausende von Touristen ein, um uns gegenseitig durch die Stadt zu schieben. Aber kaum dass wir ein paar Kanäle überquert haben und um ein paar Ecken gebogen sind, hat sich das Gewusel entzerrt und wir genießen die Wintersonne an diesem klaren Tag im Februar. Der Südwesten der Stadt ist bei weitem nicht so überlaufen, wie die ganzen Sehenswürdigkeiten im Zentrum oder im Süden.

Nach einem kurzen Flug über die schneebedeckten Alpen schweben wir im Sinkflug über das in der Mittagssonne glitzernde Schwemmland im Norden der Adria und können einen kurzen Blick auf die Lagunenstadt erhaschen.

Sehen und gesehen werden

Kostüme und Masken werden auf den Plätzen der Stadt präsentiert

Venedig

Die Lagunenstadt

Die Stadt mit ihren sechs Bezirken liegt komplett auf Schwemmland, einem komplexen System von ineinandergreifenden Mündungsgebieten verschiedener Wasserläufe aus Oberitalien – wie z.B. der Brenta. Lehm & Sand bilden das Fundament, auf dem die Orte der Lagune auf Millionen von Holzpfählen ruhen.

Viele Gebäude sind in einem schlechten Zustand, weil zum Einen durch den Anstieg des Wasserspiegels das untere Geschoss unbewohnbar wurde und zum Anderen durch das Ausbaggern der Kanäle die Strömungsgeschwindigkeit von Ebbe und Flut die Fundamente unterspült und zum Absenken der Bauwerke geführt hat.

Venedig ist von ca. 175 Kanälen durchzogen, die von 398 Brücken überspannt werden. Ursprünglich waren die Kanäle auf 1,85 m Tiefe ausgelegt, damit der Tidenhub von 60 cm durch eine ständige Zirkulation die Stadt und das Wasser reinigte aber seit der letzten Jahrhundertwende verlanden immer mehr Kanäle und werden sogar zugeschüttet oder stillgelegt. Wie z.B. die breite Via Garibaldi auf Castello.

175 Kanäle | 398 Brücken

Zahlreiche Plätze (Campiello) werden durch ein Labyrinth von kurzen Straßen (Ramo) und engen Gassen (Calle) verbunden, die immer wieder auf Straßen mit zahlreichen Geschäften (Mercerie) treffen oder auf die Uferpromenaden längs der Seitenkanäle (Rive) oder die breiteren Wege entlang der Kanäle (Fondamenta) münden. Plätze, an denen eine der über 160 Kirchen stehen, werden Campo genannt. Der schlecht ausgeleuchtete Sotoportego geht unter den Häusern hindurch (Portego wird der Saal im ersten Geschoss genannt, der Weg führt also unter diesem Saal hindurch) und verbindet Calli, Campielli und Corti.

Nachdem wir uns mit Paninis und Bier gestärkt haben, teilen wir uns auf, damit jeder ungestört die Stadt in Ruhe erkunden kann, ohne immer auf die anderen warten zu müssen. Oder eben umgekehrt.

Fasziniert beobachten wir, wie eine ganze Stadt wegen des Karnevals Kopf steht. Inzwischen eine internationalen Touristenattraktion, die vor allem von den Hotelbesitzern der Stadt gefördert und organisiert wird. Letztendlich sind auch wir deswegen hier und freuen uns über die zahlreichen Motive, die sich für Fotografen hier bieten.

Die Stadt auf dem Wasser.

Der öffentliche Nahverkehr ist hier komplett auf die Wasserstraßen und Kanäle verlagert. Anfangs etwas ungewohnt und skurril, aber durchaus praktisch und angenehm entschleunigend.

Die Suche nach einer passenden Maske

Wir finden uns in der Hotellobby ein, um unsere Kostüme für heute Abend auszuleihen. Wir haben ehrlich gesagt keine Ahnung, was uns erwartet und sind sichtlich überrascht, als man uns die barocken Gewänder zur Anprobe präsentiert. Wir verstehen kein Wort, aber der alte Mann, der den Verleih organisiert redet laut und bestimmt und nach kurzer Musterung bekommt man schon ein Gewand gereicht. Die fehlende Sprachkenntnis beider Seiten wird einfach durch Lautstärke kompensiert und irgendwie bekommen die Männer dann doch zu verstehen, dass sie zu den halblangen Hosen noch Strumpfhosen benötigen - die allerdings kann man sich zum Glück nicht leihen! Wir setzen also die Strampler auf die Einkaufsliste, ebenso wie die Masken. Die Damen sind inzwischen auch eingekleidet und kämpfen ein wenig mit den Reifen unter den Röcken, welche die Hüften auf ein Maß verbreitern, das man kaum mehr durch die Türe passt.

Wir sind auf der Suche nach einer Halbmaske, die ihren Ursprung im Theater oder Schauspiel findet, wie z.B. die Theaterform der Commedia dell’arte. Sie erleichtert das laute und deutliche Sprechen und außerdem hat diese Art von Maske den Vorteil, dass man auch ohne Schwierigkeiten damit essen – und vorallem trinken kann! Und wir wundern uns nicht, als wir durch die Gassen der Stadt streifen, an fast jeder Ecke Masken in jeder erdenklichen Form zu finden. Tausende Masken im Angebot - aber nichts passendes für unsere Kostüme und so suchen wir stundenlang und sind teilweise geschockt über die Preise, die für diese kleine Anonymität gewährende Gesichtsbedeckung abgerufen werden.

Am Campo San Barnaba/Fondamenta Gherardini werden wir endlich fündig! Ein kleiner, unscheinbarer Laden - ohne große Auslage und den sonst üblichen Touristenmagneten, ist dem scharfen, geschulten Augen unserer Damen nicht entgangen. Hier gibt es Masken mit Federn – geformt aus Pappmaché, verziert mit Blattgold und einer Krakelee-Technik. Und darüber hinaus bietet die Inhaberin an, die Masken farblich individuell anzupassen und mit Mustern zu gestalten, was natürlich einen Sturm der Begeisterung auslöst. Und das alles rechtzeitig zum Abholen am Nachmittag. Unfassbar - das Wichtigste ist geschafft! Uns hängt der Magen in den Knien und so kehren wir kurz in der Osteria Al Vecio Marangon ein und stilen erst einmal unsere kulinarischen Bedürfnisse, ohne dass unsere Börsen bluten.

Gestärkt machen wir uns auf den Weg und haben nun genügend Zeit, die Stadt weiter zu erkunden und uns auf die Suche nach schönen Motiven zu machen. Viele Kostümträger lassen sich hier gerne vor antik-maroder Kulisse ablichten. Die meisten Kostüme haben aber kaum etwas mit der Historie der Stadt oder der Tradition des Karnevals in Venedig zu tun, sondern sind sehr fantasievoll und einfach zauberhaft. Und nicht gerade günstig auszuleihen. Meist gibt es Prozente auf den Mietpreis, wenn man eine Stunde damit durch die Stadt flaniert und die Ware für den optischen Genuss vermarktet. Wir suchen noch nebenbei die Strumpfhosen für die Herren und werden nördlich des Markusplatz fündig, in eben einem dieser Läden, die ein Rundum-Sorglos-Paket verleihen.

Wir gleiten den Kanal entlang und in der Nacht strahlen die hel erleuchteten Gebäude eine faszinierende Ästhetik aus.

Der große Maskenball

Palazzo Pisani Moretta

Am Abend verlassen wir das NH Venezia Laguna Palace, das einen eigenen Anleger hat, mit unserem Wassertaxi und fahren durch ein Labyrinth von Kanälen um die sternförmige Festung von Forte Marghera, um in San Giuliano der 'Via della Libertà' entlang zu fahren und Venedig von Nord-Osten zu umrunden, bis wir im Süden den Markusplatz passieren und in den 'Canale Grande' einbiegen.

Es regnet in Strömen und wir können die Silhouette der Stadt nur verschwommen wahrnehmen. Unser Taxi legt am 'Palazzo Pisani Moretta' an und wir huschen über die mit Samtteppich ausgekleideten Pontons durch eines der zwei Portale, die in die schwarz-weiß geflieste Empfangshalle des Palazzos hinein führen.

Der Palast liegt zwischen dem Palazzo Barbarigo della Terrazza und dem Palazzo Tiepolo an einer der schönsten Stellen des Canal Grande zwischen der Rialtobrücke und dem Palazzo Ca' Foscari. Errichtet wurde das Gebäude im Stil der Gotik, was man an der Verkleidung der Fenster im Piano nobile und im zweiten Stock deutlich erkennen kann. In seinen Mauern feiern wir nun den venezianischen Karneval.

Wir sind zwar nicht für den Tiepolo Bal hier, aber uns erwartet ein unvergesslicher Abend in den alten Mauern, die sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Den großen Salon in dem wir speisen, erreichen wir über eine prunkvolle Treppe. Wir durchschreiten die deckenhohe Türen und bewundern das renovierte Stockwerk: die Zimmer erhielten Spiegel und Kronleuchter, die in Murano hergestellt wurden, die Wände sind geschmückt mit gewobenen Tapeten und die Deckengemälde, die von Giambattista Tiepolo stammen, geben dem jetzt schon opulenten Erlebnis einen sehr gediegenen Rahmen.

Wir werden durch ein fantastisches Menü geführt und sind nun gestärkt für die Party in der Eingangshalle, die wir zu Beginn des Abends betreten hatten.

Heute glänzt das Pflaster der Stadt und spiegelt die Lichter der Fenster und Läden.

Regentag

Der Pegel steigt

Wasser ist ja ein fester Bestandteil der Stadt und wir erkunden die Stadt ein weiteres Mal - dieses Mal jedoch mit eigenem Flair.

Wir stören uns anfangs auch nicht an dem kalten, abweisenden Wetter, sondern freuen uns über alle Gelegenheiten, uns bei einem Kaffee oder einer heißen Schokolade wieder aufzuwärmen. Bis der Wasserpegel steigt und die Gassen und Plätze sich langsam mit Wasser füllen. Bald sind die Schuhe nass, die Füße kalt und die Stimmung so trist wie das Wetter.

Inzwischen schüttet es in Strömen und auf den Campos sammelt sich das Wasser teilweise schon fußhoch und wir beschließen, das Wetter abzuwarten und flüchten am Campo Santa Margherita in die Osteria Alla Bifora Venezia, die wir gerade noch trocken Fußes erreichen können. Eine kleine Weinkneipe, die sich ganz kleinen, kalten Vorspeisen verschrieben hat, im Stile venezianischer Tapas.

Eine Platte mir Wurst-, und eine Platte mit Käsespezialitäten mit passendem Primitivo lassen uns das Wetter bald vergessen und wir genießen den Mittag in rustikaler Umgebung. Erst als die Nacht das Licht des Tages verdrängt, machen wir uns auf den Heimweg und spüren doch deutlich den erhöhten Weingenuss des Nachmittags.

Ein paar Gedanken

Wasser von allen Seiten.

1.) Sobald man sich etwas abseits der großen Straßen und Plätze bewegt, kann man dem Massen-Tourismus etwas entfliehen. Klar, man gehört ja selbst dazu, aber auch die Preise werden in der Peripherie erträglicher.
2.) Zwei Tage Regen und alles läuft über. Klingt komisch, ist aber so. Gummistiefel haben scheinbar immer Hochkonjunktur in dieser Lagunenstadt. .